Aquitanien im Herbst 2004
2 Wochen vom 18. September bis 2. Oktober
Boot 1: Crown Blue Line "Crusader"
Basis 1: Le-Mas-d'Agenais
Boot 2: Connoisseur Flying Bridge 1140
Basis 2: Castelmoron (aufgelassen seit 2008)



Aquitanien mit dem Hausboot – das ist die wahre Erfüllung ! Ein Revier, das uns drei Wasserwege erschließt: die Baïse, den unteren Lot und den Garonne-Seitenkanal. Und so haben wir auch gleich begeistert gebucht, wobei uns der klein gedruckte Hinweis in den Prospekten, dass die Garonne im Frühjahr Hochwasser führen könnte, dazu bewogen hat, unsere Reise in den Herbst zu verlegen. Man muss nämlich wissen, dass die Verbindung zwischen Lot und Baïse über eine etwa 5 km lange Strecke direkt im Fluss Garonne verläuft, da die Baumeister des Canal du Midi leider vergessen haben, hier eine geeignete Kanalbrücke zu errichten. Und so ist man von den Launen der Natur abhängig.
Umso entsetzter waren wir, als uns Hausboot Böckl drei Tage vor der Abreise darüber informierte, dass die Überfahrt über die Garonne wegen Niedrigwassers nicht möglich sei.  Da wir die gebuchten zwei Wochen nicht auf dem Lot auf- und abschippern wollten, kam uns der Vermieter insoferne entgegen, dass er uns eine kostenlose Umbuchung anbot. Glücklicherweise war in der Basis „Le Mas d’Agenais“ von Crown Blue Line ein geeignetes Boot für eine Woche frei, von wo aus wir die Baïse erkunden konnten. Für die zweite Woche würden wir dann mit dem Auto zur Basis „Castelmoron“ von Connoisseur weiterfahren und das ursprünglich geplante Boot für die Erkundung des Lot übernehmen. Also weitgehend alles gerettet, wenn man davon absieht, dass das Ein- und Ausräumen des Bootes nicht gerade zu den lustigsten Dingen eines Hausbooturlaubs gehört. Aber damit konnten wir leben …

Nach kurzfristiger Umplanung unseres Reiseablaufes setzten wir uns am Mittwoch, den 15. September 2004 in Wien ins Auto und machten uns auf die Reise. Die erste Tagesetappe führte uns bis Feldkirch, wo wir im Hotel „Montfort“ nächtigten. Am nächsten Tag  (Donnerstag) fuhren wir dann durch die Schweiz nach Frankreich, in die Region Auvergne. Im nahe von Clermont-Ferrand gelegenen Dörfchen Orcines bezogen wir im Hotel „Le Relais des Puys“ Quartier. Den Freitag nutzten wir zum Besuch des Themenparks „Vulcania“, der baulich vom österreichischen Architekten Hans Hollein hervorragend gestaltet wurde und in beeindruckender Weise eine Fülle von Informationen zum Thema „Vulkanismus“ bietet. Da die Auvergne früher selbst ein Vulkangebiet war, fuhren wir am Nachmittag auf den Puy-de-Dôme, einen imposanten Vulkankegel und Aussichtsberg auf Clermont-Ferrand und die ganze Kette der „Puys“ in der Auvergne.
Dann aber war das Vorprogramm zu Ende und wir fuhren am Samstag, zuerst über die Autobahn bis Cahors und dann durch das Tal des Lots, zu unserer ersten Bootsbasis in „Le Mas d’Agenais“. Seit Neuestem gibt es von den Bootsvermietern ein „Einkaufsservice“: im Internet kann man eine Liste mit ausgewählten Lebensmitteln und Haushaltsartikeln herunterladen, ausfüllen und an die Basis faxen. Die bestellten Artikel werden dann eingekauft und sollten sich bei Übernahme schon an Bord befinden. Trotzdem machten wir in der Stadt Tonneins halt und besuchten einen Supermarkt, um uns noch mit Fleisch, Wurst, Käse und anderen Frischwaren einzudecken, die auf der Liste nicht angeboten werden.



Nachfolgend eine Zusammenfassung unseres Bordbuches:

Samstag, 18. September 2004
Es hat Hochsommertemperaturen von 28°, als wir gegen 14:30 Uhr an der Basis in Mas d’Agenais eintreffen. Die Basis liegt auf einer schmalen Landzunge zwischen dem Garonne-Seitenkanal und dem Fluss Garonne, direkt neben der Schleuse 44. Im Büro werden wir von einer netten Dame empfangen, die gerne ihre Deutsch-Kenntnisse auffrischen möchte und daher keine Sprachprobleme aufkommen lässt. Der administrative Kram ist bald erledigt und wir können unser Boot beziehen, eine Crown Blue Line vom Typ „Crusader“. Diesen Bootstyp haben wir erst durch die kurzfristige Umbuchung zugeteilt bekommen, ist uns nur vom Prospekt her bekannt und muss daher gebührend bestaunt werden. Es ist uns zwar um eine Nummer zu groß, weil wir eine Doppelkabine mit Nasszelle zu viel haben, aber das können wir ganz gut als zusätzlichen Stauraum nutzen, von dem es auf einem Hausboot ohnehin immer zu wenig gibt. Die von uns vorbestellten Lebensmittel sind schon an Bord und die wichtigen Dinge, wie Wein und Bier, bereits eingekühlt. Die Franzosen wissen eben, worauf es ankommt im Leben !
Die halbstündige Instruktion muss ich dann auf französisch und englisch über mich ergehen lassen, allerdings mit der Schwierigkeit, dass der Instruktor seinerseits gleichzeitig durch den Chefinstruktor in der Kunst der Instruktion instruiert wird. So erleben wir eine Art „Doppelkonference“, bei der Manches auf der Strecke bleibt. Aber ich fahre ja nicht das erste Mal mit einem Hausboot und die Unterschiede zu anderen Bootstypen habe ich bald begriffen.

Um 16:30 Uhr legen wir ab und fahren auf dem Garonne-Seitenkanal Richtung Osten. Der Kanal ist, wie wir es bereits vom Canal du Midi her kennen, beidseitig mit Platanenalleen bewachsen.  Die Schleusen sind halbautomatisch, wobei die Anmeldung durch Drehen einer herunter hängenden Stange erfolgt. Auch dieses System kennen wir schon vom Oberlauf der Saône.
Um 17:40 Uhr finden wir in Villeton einen netten Anlegeplatz, wo wir über Nacht bleiben wollen. Gleich nebenan befinden sich eine Pizzeria und das Gemeindeamt, viel mehr ist von dem Dörfchen nicht zu sehen. Wir nützen den Sonnenschein noch zu einem Abendessen am Oberdeck, dann richten wir uns in den Kajüten ein und fallen gegen 22:00 Uhr in die Betten.



Tagesleistung

Strecke:

Le Mas d’Agenais - Villeton

Fahrkilometer:

7

Schleusenkammern:

1

Reine Fahrzeit: 1 Stunde 10 Minuten


Sonntag, 19. September 2004
Heute ist es stark bewölkt bei 15° Morgentemperatur. Da die Schleusen hier ohnehin erst um 09:00 Uhr den Dienst antreten, trödeln wir noch ein wenig herum, füllen sicherheitshalber den Wassertank auf und legen erst um 09:20 Uhr ab. Wir müssen uns mit den An- und Ablegemanövern erst einmal an das neue Boot gewöhnen. Elisabeth, die die Vorleine bedient, konnte auf den bisherigen Reisen das Vordeck immer vom Salon aus betreten. Bei diesem Boot ist das nicht möglich, sondern man muss außen herum turnen, was sie nicht gerne macht, weil sie ein wenig unter Geh-Unsicherheit leidet.  Aber bevor sie ihren angestammten Aufgabenbereich wechselt, überwindet sie sich, klettert nach vorne, unter der Bugreling durch und findet dort wieder einen sicheren Platz für die Bedienung der Bugleine.  Und da steht sie nun, wie Kate Winslet im Film „Titanic“ – nur leider ohne Leonardo di Caprio.
Nach erfolgreicher Überwindung von 2 Schleusen landen wir gegen 11:40 Uhr am Anlegeplatz in Buzet-sur-Baïse, wo wir eine Mittagspause einlegen wollen. Während Elisabeth, die auch für die Verpflegung hauptsächlich zuständig ist, ihre Bratwürste in die Pfanne haut, mache ich einen kurzen Radausflug zur Schleuse, die uns vom Garonne-Seitenkanal zur Baïse hinunterführen soll. Ich möchte nämlich wissen, ob dort eine Mittagspause gehalten wird, oder nicht. Das ist aber (wie auf der ganzen Baïse) nicht der Fall, und wir können uns nach dem Essen gleich wieder auf die Fahrt machen. Bei der Abstiegschleuse handelt es sich um eine Doppelschleuse, die von Schleusenwärtern bedient wird. Wir erhalten während unserer Abschleusung eine Karte ausgefolgt, die für die Selbstbedienung der weiteren Schleusen auf der Baïse erforderlich ist.

Wir unterqueren den Garonne-Seitenkanal, auf dem uns, wie bestellt, ein Boot begegnet. Auf der Baïse selbst fühlt man sich wie in eine andere Welt versetzt. Die Ufer sind dicht bewachsen, weit und breit keine Möglichkeit für eine Anlandung abseits der Zivilisation. Umgestürzte Bäume, Untiefen, Engstellen erfordern hohe Aufmerksamkeit am Steuer. Auch entgegen kommenden Booten kann man so einfach nicht überall ausweichen, aber zum Glück ist wenig Betrieb. Dafür kommt das Naturerlebnis nicht zu kurz, überall begegnen uns Reiher, Eisvögel, Nutrias und Vieles mehr.
Auch die Schleusen sind ein Erlebnis: sie haben zunächst einmal grundsätzlich keine Ampelsignale. Beim aufwärts Schleusen entwickeln wir folgendes Verfahren: bei der Annäherung an die Schleuse muss Franz an einem Mini-Steg (etwa halbe Bootlänge) abgesetzt werden. Ist das Schleusentor offen, kann man einfahren, andernfalls muss man das Boot gut festmachen, da der Steg meist direkt unter dem Schleusentor liegt und es sonst beim Ablassen des Wassers fest herum gebeutelt wird. Franz muss indessen das Bedienpult der Schleuse suchen. Befindet sich ein anderes Boot in der Schleuse oder wartet schon wer am Bedienpult, haben wir Pause, ansonsten darf er seine Karte einführen, was das Umfluten der Schleuse auslöst. Ist man einmal drin in der Schleuse, ist eine weitere Kartenaktivität erforderlich um den Schleusenvorgang auszulösen.
Gegen 16:30 Uhr kommen wir in Lavardac an, wo wir einen schönen Liegeplatz finden.
Wir machen eine kleine Wanderung (ca. 3 km) nach Barbaste, wo es eine eindrucksvolle befestigte Mühle aus dem 13. Jahrhundert zu sehen gibt. Im angeschlossenen Laden mit Souveniers und Landesprodukten gibt es allerlei Spezialitäten zu verkosten: wir erstehen eine Flasche Armagnac (zu medizinischen Zwecken) und einen „Floc des Gascogne“. Das ist eine Komposition aus Traubenmost und Armagnac und schmeckt ein bisschen wie Süßwein. Muß kalt serviert werden und ist nicht nur für Damen ! Der Rückweg geht gleich leichter von der Hand und führt uns durch den Ort Lavardac, der uns aber nicht besonders beeindruckt.
Auffällig sind die vielen Auslands-Franzosen, die offensichtlich die Substandard-Wohnungen bevölkern. Das ist uns in der ganzen Region in den ärmeren Gebieten besonders aufgefallen.
Abendessen an Bord.



Tagesleistung

Strecke:

Villeton - Lavardac

Fahrkilometer:

26

Schleusenkammern:

6

Reine Fahrzeit:

5 Stunden 22 Minuten


Montag, 20. September 2004
Der Tag begrüßt uns mit 11° und wolkenlosem Himmel. Franz geht täglich seinem Morgensport nach und besorgt uns frische Baguettes für das Frühstück. Die schöne Bäckersfrau von Lavardac lenkt ihn aber dermaßen ab, dass er auf die bestellten Kuchen vergisst und ohne Murren gerne noch einmal hingeht.
Wir legen um 09:00 Uhr ab und fahren weiter die Baïse aufwärts.
Schon bei der nächsten Schleuse müssen wir feststellen, dass deren Breitenmaß weiter abgenommen hat und rechts und links nur etwa 20 cm Platz bleiben, dabei ist unser Boot nur 3,90 m breit. Jedenfalls braucht man beim Ein- und Ausfahren immer ein bisschen Gleitmittel ! Ein anderes Problem sind die Poller in den Schleusen. Sie befinden sich an den seltsamsten Stellen, nur nie dort, wo man sie braucht. Und das Material variiert zwischen den problemlosen Metallpollern und uralten Steinpollern, bei denen die Leinen nicht ordentlich laufen. Jedenfalls schleusen wir gerade in der Schleuse „Bapaume“, das Wasser läuft von oben ein, der übliche Wasserstrom trifft uns vom oberen Schleusentor. Da dreht plötzlich die Schwallrichtung um und wir fahren blitzartig auf das obere Schleusentor zu. Die Leinenmannschaft ist verwirrt und kräftemäßig überfordert. Nur mit Mühe und Motoreinsatz können wir das Boot wieder stabilisieren. Ich vermute, dass sich die Schleusenschieber plötzlich stark geöffnet haben und das Wasser, das wegen der schmalen Schleuse seitlich nicht vorbei kann, unter dem Boot hindurch strömt, am unteren Schleusentor reflektiert wird und so diesen Vorwärtsschwall erzeugt. Jedenfalls schwöre ich mir, während der Schleusung den Führerstand künftig nicht mehr zu verlassen.
Zu Mittag legen wir in Nérac unterhalb der Schleuse an. Franz und ich gehen in den Supermarkt und ergänzen unsere Lebensmittel, während die Damen das Mittagessen bereiten. Anschließend geht’s wieder weiter, wir passieren die Schleuse und fahren weiter die Baïse aufwärts. Dabei machen uns immer wieder undisziplinierte Hausbootfahrer Probleme, die an den kleinen Anlegestegen vor den Schleusen auch noch längere Pausen abhalten. Beim ersten, einem Australier, haben wir noch gelacht und die angebotenen Schokolade angenommen, beim nächsten waren wir dann schon ärgerlich.
Aber auch die Schleusen haben wir noch nicht im Griff: in einer Schleuse sind die verfügbaren Poller so angebracht, dass sie näher zusammen stehen, als das Boot lang ist. Als dann wieder einmal der schon erwähnte Vorwärtsschwall entsteht, nützt es nichts, dass Regina die Heckleine straff zieht, im Gegenteil, das bewirkt nur einen weiteren Zug nach vorne. Wieder können wir das Boot nur mit Mühe im Rückwärtsgang stabilisieren und die rechte Heckklampe wackelt schon verdächtig.
Gegen 16:30 Uhr legen wir schließlich im Moncrabeau an, das nur über einen sehr bescheidenen Anlegeplatz verfügt, der sich im Laufe des Abends aber noch zur Gänze füllt.
Wir machen einen Rundgang durch die „Welthauptstadt der Lügner“, wie sich Moncrabeau selbst gern nennt. Das Städtchen ist recht pittoresk und verfügt über einen Lügenpfad, bei dem an mehreren Stellen Tafeln mit Geschichten aufgestellt sind, deren Wahrheitsgehalt sorgsam abzuwägen ist. Beispielsweise wird an einem Aussichtspunkt geschildert, dass an klaren Tagen im Hintergrund die Pyrenäen zu sehen seien, an besonders klaren Tagen könne man auch den Leuchtturm von Gibraltar erkennen. Wenn nicht, möge man doch wegen der Wetterverhältnisse bei der meteorologischen Anstalt nachfragen. Am Rückweg finden wir einen herrenlosen Feigenbaum mit reifen Früchten, von denen wir ein paar mitnehmen und mit einem Floc de Gascogne als Aperitif in der letzten Abendsonne an Deck genießen. Abendessen an Bord.
Bei der Abendbesprechung diskutieren wir noch einmal die Probleme mit dem Kräfteparallelogramm bei den Leinenmanövern und beschließen eine neue Strategie in den bevorstehenden Schleusen: sollten die Poller ungünstig stehen oder nicht aus Metall sein, wird Franz, der sich ja für die Schleusenbedienung ohnehin an Land befindet, die jeweils strategisch wichtigere Leinen von dort aus bedienen.


Tagesleistung

Strecke:

Lavardac - Moncrabeau

Fahrkilometer:

22

Schleusenkammern:

11

Reine Fahrzeit:

6 Stunden 10 Minuten


Dienstag, 21. September 2004
Heute ist es bewölkt bei 13° Morgentemperatur. Franz besucht im Rahmen des Morgensports noch einmal unseren Feigenbaum von gestern. Heute allerdings mit einem Regenschirm bewaffnet, um auch die höheren Äste zu erreichen. Der Bootshaken wäre noch effektiver gewesen – aber wie sieht das denn aus … ?
Wir füllen unseren Wassertank wieder nach und legen um 09:15 ab. Nach wenigen Kilometern erreichen wir die Grenze zwischen den Regionen Aquitaine und Midi-Pyrénées. Damit wechselt auch das Departement von „Lot-et-Garonne“ auf „Gers“ und ob sie es glauben, oder nicht, man merkt den Wechsel auf der Baïse. Wurde bisher als Markierungsboje alles hergenommen, was schwimmt, oder Schifffahrtzeichen einfach aus der Straßenmeisterei entliehen, hat plötzlich alles seine korrekte Ordnung. Die Ursache scheint darin zu liegen, dass die Baïse als Wasserweg nicht von der staatlichen Organisation VNF (Voies Navigables de France) betreut und verwaltet wird, sondern von einer Regionalorganisation – und die wechselt eben an der Grenze !
Unsere gestern beschlossene Schleusenstrategie bewährt sich bestens, wir haben die Sache nun offensichtlich im Griff. Um 11:30 Uhr passieren wir die Stadt Condom, die wiraber erst auf dem Rückweg besuchen wollen. Die meisten Schleusenwärterhäuschen sind privatisiert, in der Schleuse „Gauge“ hat sich sogar ein Restaurant angesiedelt: „Moulin du petit Gascogne“. Sieht sehr nett aus, aber heute leider geschlossen. Die Schleuse von Graziac ist eine Doppelschleuse und wird von Schleusenwärtern bedient. Je weiter wir die Baïse aufwärts kommen, umso enger und unübersichtlicher werden die kanalisierten Ausfahrten im Oberwasser der Schleusen. Na, das kann ja was werden bei der Rückfahrt ! Aber zunächst heißt es den Blick vorwärts zu richten, denn wir wollen heute noch die Abtei von Flaran besuchen, die laut Karte über einen eigenen Anlegesteg für die Besucher verfügt. Beim näher Kommen stellt sich heraus, dass der Anleger höchstens 1 Boot aufnehmen kann und zu allem Überdruss auch noch besetzt ist – aber nicht von jemandem, der auf Kulturtrip in der Abtei ist, sondern von einem Hausboot-Camper, der am Steg gerade seinen Holzkohlengriller anfacht. Und da es – wie fast auf der ganzen Baïse – auch hier keine Möglichkeit gibt, abseits des Anlegers fest zu machen, weil überall Büsche weit ins Wasser herein ragen, müssen wir knurrend nach Valence-sur-Baïse weiterfahren, was wir eigentlich gar nicht wollten. Aber auf eine Schleuse mehr oder weniger kommt es auch nicht mehr an. Ankunft um 13:50 Uhr. Der Hafen von Valence-sur-Baïse ist recht nett ausgebaut und stellt derzeit das obere Ende der Befahrbarkeit auf der Baïse dar.
Wir aber brechen zu einer kleinen Fußwanderung zur Abbaye-de-Flaran auf, die uns nach einem etwa 1,5 km langen Marsch am Straßenrand wieder zu unserem Grill-Freund bringt, der in der Zwischenzeit die ersten Kotletts schon serviert.
Die Abtei von Flaran ist ein Zisterzienserbauwerk aus dem 12. Jahrhundert. Nachdem die Kirche vor wenigen Jahren den Flammen zum Opfer gefallen ist (es war aber nicht der Griller !), hat der Staat das Bauwerk übernommen, restauriert und ein Kulturzentrum eingerichtet, in dem laufend verschiedene Ausstellungen stattfinden. Die Besichtigung ist sehr interessant, nur die Kirche besteht leider nur mehr aus den nackten Wänden.
Gegen 16:00 Uhr sind wir wieder zurück in Valence-sur-Baïse, wo wir gleich wieder ablegen, denn wir wollen heute noch bis Condom zurück fahren. Wie schon befürchtet, machen bei der Talfahrt die engen Schleusenzufahrten Probleme. Von der ohnehin schon engen Baïse zweigt plötzlich ein Stichkanal ab, der nur wenig breiter ist, als das Boot selbst. Am Ende dieses Kanals liegt dann direkt oberhalb des Schleusentores der Wartesteg. Verläuft der Kanal gerade, kann man sehen, ob dort schon einer wartet. Wenn ja, braucht man in den Kanal gar nicht einfahren, weil ein entgegen kommendes Boot gar nicht passieren könnte. Bei längeren Kanälen gibt es noch eine Ausweiche, die aber meist bloß eine Nische mit Leitplanken in den unendlichen Buschzeilen ist. Die Anfahrt auf die Schleuse „Graziac“ ist besonders bösartig: lange und gewunden, ohne Sicht zur Schleuse und ohne Wartesteg. Wir tasten uns also vorsichtig heran, setzen Franz ab, damit er mit dem Eclusier Kontakt aufnehmen kann. Da merken wir plötzlich, dass gerade ein Boot aufwärts geschleust wird. Damit es passieren kann, müssen wir ein paar Bootlängen zu einer Ausweiche zurück. Nicht leicht in dem engen Kanal ! Wir schaffen es schließlich, indem uns Franz von Land aus mit der Heckleine ein wenig dirigiert. Beim vorbei Fahren des anderen Bootes hören wir höhnisches Gelächter und den netten Hinweis, dass die Schleuse schon geschlossen wird.
Das können wir uns aber nicht ganz vorstellen, weil nach offiziellen Angaben die Schleusen bis 19:00 Uhr in Betrieb sein sollen. Na, wir kommen noch dran, aber dann versperrt der Schleusenwärter tatsächlich mit Kette und Vorhängeschloss das obere Schleusentor und zieht sein Kurbeln ab. Zu seiner Ehrenrettung sei aber gesagt, dass bei unserer Ausfahrt von unten noch ein Boot kommt und er seufzend wieder alles aufsperrt …

Um etwa 18:30 Uhr legen wir schließlich in Condom an, wo es ausreichend Liegeplätze gibt. Anschließend Stadtrundgang. Ganz in der Nähe der Kathedrale finden wir ein einfaches, aber originell eingerichtetes Lokal („La Cambuse“, Place Bossuet), in dem wir ausgezeichnet zu Abend essen und den ereignisreichen Tag ausklingen lassen.

Tagesleistung

Strecke:

Moncrabeau – Valance-sur-Baïse - Condom

Fahrkilometer:

32

Schleusenkammern:

11

Reine Fahrzeit:

7 Stunden 07 Minuten


Mittwoch, 22. September 2004
In der Nacht hat es ein wenig geregnet, aber der Morgen ist wieder wolkenlos bei 11°. Wir legen gegen 09:00 Uhr ab und nehmen den Kampf mit den Schleusen wieder auf. Bei der Schleuse „Beauregard“ fällt uns zwar auf, dass der obere Wartesteg kürzer ist, als bei den anderen Schleusen, aber wir messen dem keine Bedeutung zu und verheften das Heck nur halbherzig. Das rächt sich aber in Kürze: als nämlich die Schleuse Wasser einlässt, tritt der „Badewanneneffekt“ ein und wir treiben quer, treten mit dem anderen Ufer in Kontakt und da der Wasserstand in dem engen Kanal schlagartig sinkt, sitzen wir auch noch ein wenig am Grund auf. Aber das dauert nur solange, bis die Schleuse voll gelaufen ist, dann normalisiert sich der Zustand wieder. Gegen 12:50 Uhr erreichen wir eine der wenigen Landeplätze außerhalb der Städte. Er liegt bei Flusskilometer 6 an der Kreuzung mit der D112. Wir machen fest und nehmen einen kleinen Imbiss auf den einladenden Picknick-Tischen. Dann geht es wieder weiter auf Nérac zu, unserem heutigen Tagesziel. Bei der langen Anfahrt zur Schleuse „Pacheron“ sehen wir am Wartesteg bereits ein Hausboot liegen und fahren in den Ausweichplatz. Mühsam fädeln wir die Leinen um die Leitplanken und machen das Boot fest. Franz balanciert irgendwie an Land, um für uns als nächstes Boot die Schleusung vorzubereiten. Nach kurzer Zeit kehrt er wieder zurück und berichtet, dass die Insassen des wartenden Bootes keine Anstalten zum Schleusen machen, sondern genüsslich Kaffee trinken. Wütend machen wir wieder los und schimpfen im Vorbeifahren in allen Sprachen, die uns einfallen.
Gegen 16:30 Uhr nähern wir uns Nérac. Den letzten Kilometer verläuft der Fluss entlang des städtischen Parks. Hundebesitzer, Jogger, Pensionisten und lärmende Schulklassen begleiten uns. Der Hafen von Nérac ist voll mit Booten angefüllt, am linken Ufer keine Lücke, am rechten Ufer auch nur mehr am Gartenzaun eines Restaurants. Da mir das alles nicht besonders gefällt, mache ich im Hafenbecken eine Wendung und versuche etwas oberhalb, bei der Brücke, einen Liegeplatz zu finden. Doch dort ist das Anlegen verboten. Nun ist guter Rat teuer und wir überlegen, die Schleuse noch zu passieren und unterhalb der Schleuse zu nächtigen. Also fahre ich ein Stück in die Parklandschaft hinein und setzte zu einer neuerlichen Wende an. Aber die gelingt irgendwie nicht so richtig: es ist nicht die „Schokoladenseite“ des Schiffes und hinten stört mich eine tiefhängende Weide. Jedenfalls zieht es mich magnetisch immer mehr ans Parkufer und schließlich kann ich wegen des Unterholzes weder rückwärts fahren noch seitlich abstoßen und es bleibt nur mehr die Flucht nach vorn. Doch dort befindet sich ein riesiger dürrer Dornbusch. Nach meinem Warnruf geht die Mannschaft in volle Deckung und dann breche ich mit halber Kraft voraus durch den Busch, der dabei in tausend Stücke zerfällt und unser Oberdeck ins Chaos versinken lässt. Die eben noch johlende Schulklasse, neben der sich das alles abspielt, ist mucksmäuschenstill geworden bei unserer Darbietung. Sollte sich unter den geneigten Lesern ein Lehrer befinden, der Probleme hat, sein Klasse ruhig zu stellen, können wir dieses Verfahren empfehlen. Es hat sich in der Praxis bereits bewährt.
Nach dem ersten Schrecken über die angerichteten Verwüstungen trifft uns ein weiterer schwerer Schlag: die österreichische Fahne, besonderer Stolz unseres Bootes, wurde los gerissen und hängt in den noch verbliebenen Teilen des Dornbusches. Und nachdem ohnehin schon alles egal ist, mache ich noch eine Wendung und wir bergen unsere Fahne wieder. Dann haben wir aber genug vom Hafen Nérac, und wir fahren durch die enge Brückendurchfahrt in die Schleuse ein und machen dann unterhalb der Schleuse fest, wo wir schon bei der Hinfahrt zum Einkaufen halt gemacht haben. Nach einer intensiven Schiffsreinigung machen wir eine ausgiebige Besichtigung der reizenden Stadt und landen schließlich in der Pizzeria „La Petite Marie“, Rue Sèderie 22, zu einem sehr guten Abendessen.



Tagesleistung

Strecke:

Condom - Nérac

Fahrkilometer:

26

Schleusenkammern:

11

Reine Fahrzeit:

7 Stunden 31 Minuten


Donnerstag, 23. September 2004
Der Tag beginnt bewölkt mit einer Temperatur von 14°. Elisabeth und ich gehen zum Einkaufen in den Ort, während die Zweitbesetzung der Küche das Frühstück zubereitet. Gegen 09:00 Uhr wollen wir ablegen, aber es ist immer das Gleiche: kaum macht ein Boot Anstalten zum Losfahren, versuchen andere Boote mit Harakiri-Manövern schneller zu sein, um nur ja bei der nächsten Schleuse nicht warten zu müssen. Kopfschüttelnd lassen wir die Eiligen ziehen, warten noch ein paar Minuten, dann fahren wir auf die nächste Schleuse zu. Eine Schweizer Bootsbesatzung hat zu uns aufgeschlossen und wir einigen uns auf eine gemeinsame Schleusung. Damit ist die Suche nach passenden Pollern wieder ausgebrochen, aber Regina findet für ihre Heckleine anstatt dessen einen passenden Befestigungs-Ring. Da sie nicht die ganze Leine durchfädeln will, arbeitet sie mit einer „Schlaufen-Technik“. Das funktioniert auch ausgezeichnet, bis das Seil zu der Stelle kommt, wo ein Spleißfehler eine kleine Verdickung hervorruft. Nach einer kurzzeitigen Aufregung, weil das Boot „hängt“, gibt die ohnehin schon wackelige Heckklampe nach und unser Problem ist fürs erste behoben. Ab jetzt müssen wir eben mit der backbordseitigen Klampe arbeiten, oder die glücklicherweise vorhandene Mittelklampe einsetzen. Der Schadenregulierung sehe ich gelassen entgegen, weil wir ja eine Zusatzversicherung abgeschlossen haben. Aber diese Schleuse (es ist schon wieder „Bapaume“) ist unser Waterloo auf der Baïse. Wir passieren Lavardac und vermerken mit Wohlgefallen, dass ab hier die Schleusen wieder breiter werden. Um etwa 11:45 Uhr erreichen wir Vianne, das über einen wirklich großzügig ausgebauten Anlegeplatz verfügt.
Wir machen fest und starten zu einer Besichtigung des Städtchens. Es ist wirklich sehenswert: eine vollständig erhaltene „Bastide“ mit Stadtmauer, Türmen und den typischen schnurgeraden Straßen der mittelalterlichen Militärarchitektur. Es sind kaum Touristen unterwegs, aber an der Fülle der Restaurants kann man erkennen, dass hier in der Hauptsaison Einiges los sein muss. Bei solchen Angeboten überkommt uns der Hunger und wir setzen uns unter die Arkaden des Restaurants „La Table d'Aliénor“, Rue Martyrs de la Résistance. Es gibt ein 4-gängiges Menü um 10 Euro, das uns sehr gut schmeckt, nur das Fleisch hätte etwas mehr durchgebraten sein können.
Zurück an Bord nehmen wir den letzten Abschnitt auf der Baïse in Angriff, und wir kommen nach Überwindung der Doppelschleuse wieder auf den Garonne-Seitenkanal. Kurz nach 17:00 Uhr legen wir am Landeplatz von Buzet-sur-Baïse an, wo wir über Nacht bleiben wollen. Zuvor möchten wir aber noch den allenthalben angepriesenen Weinkeller von Buzet besuchen und die Weine degustieren.

Wir folgen also den Hinweisschildern zuerst über die Brücke in den Ort. Dort steht ein weiteres, das uns den Wein in circa 800 Metern Entfernung schmackhaft macht. Aber das ist konservativ geschätzt, denn unser Franz hat immer sein technisches Equipment dabei und misst mit einem Schrittzähler für die Strecke einen guten Kilometer. Kein schöner Weg – es geht immer am Straßenrand dahin. Aber schließlich erscheint am Horizont eine große Fabrikationshalle mit angeschlossenem Verkaufs- und Degustationsbereich. Wir treten erwartungsvoll ein, da wird uns zu verstehen gegeben, dass in 10 Minuten (18:00 Uhr) gesperrt wird. Schnell degustieren wir noch 2 Rotwein- und eine Weißweinsorte, aber bei der Hektik kann man sich nicht konzentrieren. Wir kaufen ein paar Flaschen aus dem „Glückstopf“ und ziehen wieder heimwärts. Wir machen noch eine kleine Schleife durch den Ortskern, aber da gibt’s es nichts Besonderes. Das Schloss, das man auf einer Anhöhe sieht ist, liegt jenseits der Autobahn ist für uns zu weit entfernt.
Abendessen an Bord.


Tagesleistung

Strecke:

Nérac – Buzet-sur-Baïse

Fahrkilometer:

22

Schleusenkammern:

7

Reine Fahrzeit:

4 Stunden 57 Minuten


Freitag, 24. September 2004
Der Freitag erwartet uns mit unfreundlichem Wetter: es nieselt bei 17°. Trotzdem hat Franz den 20 minütigen Weg zum Bäcker nicht gescheut und so haben wir wenigstens einen Lichtblick: frische Baguettes zum Frühstück. Das Wetter lädt nicht zum Bootfahren ein und so streichen wir unser Vorhaben, noch ein Stück auf dem Garonne-Seitenkanal nach Osten zu fahren. Wir haben somit keine lange Etappe heute, drum warten wir noch ein wenig zu, ob der Regen vielleicht aufhört. Aber aus dem Nieseln wird ein ordentlicher Regen und so kramen wir unsere Schlechtwetterkleidung hervor und legen gegen 10:00 Uhr ab.  Das Fahren vom unteren Steuerstand ist bei der Crusader gar nicht so schlecht, denn das Boot verfügt über ein mächtiges Gebläse, das mir die Scheiben immer klar hält. Außerdem ist die Ausstiegsluke vom Salon auf das Oberdeck nur mit einer Plexiglasscheibe verschlossen, sodass man als Schiffsführer auch nach hinten Sicht hat. Das ist ein großer Vorteil gegenüber meinen bisherigen Bootsmodellen, wo man von unten nur mit dem Blindenstock fahren konnte. Strecke und Schleusen machen keinerlei Probleme, das Wetter bessert sich zusehends und als wir gegen 11:50 Uhr in Villeton eintreffen, scheint sogar schon wieder die Sonne. Wir machen fest und hängen unsere Regenbekleidung zum Trocknen auf. Elisabeth zaubert ein Mittagessen aus ihrer Bordküche und die Welt sieht schon wieder rosig aus. Der Nachmittag ist dem Relaxen in der Sonne gewidmet, und nach einer Kaffeejause nehmen wir die letzten paar Kilometer in Angriff.  Um 17:10 Uhr erreichen wir wieder die Basis in Le Mas d’Agenais, wo wir mit Mühe rückwärts einparken und mit der fehlenden Heckklampe nicht ordnungsgemäß festmachen können. Aber der Stationschef bringt uns schon dahin, dass wir in seine gerade ausgerichtete Flotte hineinpassen. Elisabeth und Franz machen einen Stadtrundgang, ich gehe mein Auto vom versperrten Parkplatz holen, damit wir heute schon etwas einräumen können. Der Abend ist dem Zusammenpacken unserer Schätze gewidmet. Reste essen an Bord.



Tagesleistung

Strecke:

Buzet-sur-Baïse – Le Mas d’Agenais

Fahrkilometer:

19

Schleusenkammern:

3

Reine Fahrzeit:

3 Stunden 11 Minuten

Die Rückgabe am nächsten Morgen geht problemlos vor sich. Über die ausgerissene Klampe wird nicht einmal gesprochen.



Zeit für ein Kurzresümee über die 1. Woche:

weiter 2. Reisewoche

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